Reisetagebuch der SY "Libra" 2020
GB Dr. Manfred Brandes




Vorbereitung der Reise

Es wurden über Winter die üblichen Überholungs- und Pflegearbeiten selbst durchgeführt. Neu beschafft wurden: ein verbesserter Sterling-Lichtmaschinen-Regler und eine Spinlock-Schwimmweste. Die alte zu bauchige Genua hat der Segelmacher am Vorliek flacher gemacht. Wir können jetzt eine bessere Höhe segeln. Der Rumpf wurde mit dünnem farblosen Nanolack ein zweites mal über lackiert, die gebrochene AluBadeleiter repariert, die Zink-Anode am Saildrive erneuert, die alten Trenndioden zur Starter-Batterie durch eine Schottky-Diode ersetzt und im Mast ein neues Kabel für die Lunatronic-WLAN-Antenne eingezogen.

Wegen der Corona-Situation sind wir zunächst nur im Heimatrevier gesegelt: nach GPS über Grund 481 sm zuzüglich 74 sm unter Motor mit einer Fahrt von Rostock nach Wismar und Fehmarn. Bedingt durch Arzttermine und kleine Familienfeiern starten wir erst am 23.07.2020 zu unserer diesjährigen Segelreise.

Zuvor kaufe ich im Internet aktuelle oeSENC-Vektor-Seekarten für Deutschland und Dänemark und aktualisiere das Navigationsprogramm OpenCPN auf die letzte Version 5.2.0. In der Version 5.0.0 wurden im Vorjahr mit meinem AIS-Transponder keine AIS-Ziele angezeigt. Im Gegensatz zur alten Version 4.8.8 sind jetzt zunächst keine Tracks der anderen Schiffe zu sehen. Sie können aber mit der AIS-Abfrage individuell für jedes Schiff sichtbar gemacht und gespeichert werden. Optional ist eine Aufsplittung des Bildschirms für zwei verschiedene Maßstäbe oder Seekarten, z. B. Vektor- und Rasterkarte möglich. Ich habe noch beide Versionen 4.8.8 und 5.2.0 separat auf dem PC installiert. Die Einstellungen und die Karten-Bibliotheken sind identisch. Nach der Reise kaufe ich einen USB-Key-Dongle und ordne dem die zweite Lizenz der oeSENCKarten zu. So kann ich sie künftig auf jedem beliebigen PC bei angestecktem Dongle nutzen.
Do. 23.07.2020 SSV Rostock - Wiek auf Rügen Seg. 51 sm, Mot. 12 sm

Wir legen bei Sonnenaufgang um 5 Uhr ab, bis Warnemünde Motorfahrt bei schwachem Wind. Tagsüber dreht er von N über NW nach SW bei maximal 12 kn. Viele Boote überholen uns. Am späten Nachmittag sehen wir anhand der AIS-Signale, dass die Häfen auf Hiddensee wohl voll sind. Ein Boot, das Kloster anläuft, fährt wieder weg. Ein Telefonanruf beim Hafenmeister bestätigt die Situation. Andere Boote sehen wir nach Wiek auf Rügen fahren. Bis zum Buger Haken können wir segeln. Durch den Rassower Strom und den Wieker Bodden sind es noch 6 sm mit Motor. Um 20:35 Uhr legen wir in einer noch freien Box an.
Fr. 24.07.2020 ein Hafentag in Wiek

Heute sind 5 Bft Wind aus Süd. Beim netten Hafenmeister bezahlen wir für zwei Nächte. Unsere Kinder Martin und Susanne waren hier mal im Kinderkurheim. Jetzt ist es AOK-Kurklinik. Wir waren 1989 mit unserem Jollenkreuzer "Emma" hier, wollten unseren Pflegesohn Lars besuchen, der bei der Volksmarine gegenüber in Dranske auf der Halbinsel Bug diente. Leider hatte er nicht frei. Seit 2016 hat Wiek einen modernisierten Yachthafen. Unter Denkmalschutz steht eine über 100 Jahre alte nie genutzte Verladebrücke für Kreide von der Halbinsel Wittow. Sehenswert ist auch die große Kirche im Ort.
Sa. 25.07.2020 Wiek - Stralsund Seg. 5 sm, Mot. 18 sm

Der Wetterbericht besagt NW-W 3-4 Bft, vorübergehend schwach. Bis zum Rassower Strom können wir gegen leichten West- bis SW-Wind kreuzen. Dann ist Flaute. In den engen Fahrrinnen zwischen Rügen und Hiddensee geht heute nur Motorfahrt. Um 15 Uhr sind wir im Stadthafen Stralsund. Heidis Patenkind Volker und seine Partnerin Manuela laden uns zum Abendessen am historischen Marinehafen ein. Die Drehbrücken werden noch für die Durchfahrt von Sportbooten bedient. Auf der Hafenmole werden wir von einem jungen Segler-Ehepaar Nancy und Andre aus unserem früheren Verein in Berlin Wendenschloss erkannt und angesprochen. Vor der Wende waren sie noch Kinder und sind bei den Eltern mit gefahren.
So. 26.07.2020 ein Hafentag in Stralsund

Nachmittags holt uns Volker mit dem Auto ab. Wir sind zunächst bei Manuelas Mutter im Haus und Garten, dann zu einem Besuch bei Volkers Eltern. Wir werden mit wohlschmeckenden Kartoffeln, Kirschen, Marmelade und Eiern beschenkt.Mo. 27.07.2020 Stralsund - Marina Kröslin Seg. 22 sm, Mot. 13 sm Wir nehmen die Öffnung der Ziegelgraben-Brücke 8:20 Uhr. Im Strelasund bis Palmer Ort müssen wir motoren. Über den Greifswalder Bodden Richtung Osten kreuzen wir mit 8 Wenden bis zu jeweils 1 sm neben der geplanten Route gegen den Wind aus Ost. Ab Freesendorfer Haken, durch die Knaakrücken-Rinne und im Peenestrom können wir bis vor die Einfahrt in die große moderne Marina Kröslin segeln. Andre vom Yachtclub Wendenschloss ist mit seiner Bavaria 33 schon da. Am nächsten Tag will er außen um Usedom herum nach Swinemünde und Stettin, von dort nach Berlin.
Di. 28.07.2020 Kröslin - Zinnowitz auf Usedom Seg. 14 sm, Mot. 5 sm

Morgens kommt unser Steg-Nachbar Roland vom SSVR mit dem Boot vorbei. Er war hier zum Tanken. Wir legen 10 Uhr ab, segeln mit Groß und Selbstwendefock bis Wolgast. Bis zur Brückenöffnung 12:45 Uhr binden wir für eine knappe Stunde an einem Dalben an. Hinter der Brücke können wir bald wieder segeln. Am Eingang zum Achterwasser zwischen Mövenort am "Weißen Berg" und der Untiefe "Hohe Schar" sind eine Reuse und Stellnetze zu beachten. Vor drei Jahren waren es noch mehr Netze, ebenso im Stettiner Haff. Durchfahrtstore sind dort, wo zwei rote Fahnen relativ dicht nebeneinander sind. daneben sind lange Leinen mit Schwimmkörpern. Die letzten 4 sm motoren wir gegen den auffrischenden Wind. Bei der Einfahrt in den Hafen regnet es. Wir legen später nach weiter innen um.
Mi. 29.07. und Do. 30.07.2020 zwei Hafentage in Zinnowitz

Den ersten Tag bei stärkerem Wind und Wolken nutzen wir zu einem Treffen mit einem befreundeten Segler Ehepaar, das hier zu Hause ist. Wir sind uns vor mehreren Jahren in Norwegen begegnet. In diesem Jahr hatten sie Pech: Kollision mit einem Motorboot in der Hafeneinfahrt von Karlshagen. Am zweiten Tag sind wir bei einem gemeinsamen Schulfreund von der Oberschule in Ludwigslust auf ihrem Grundstück bei Greifswald zu Gast. Hier in Zinnowitz haben sie ein Ferienhaus.
Fr. 31.07. und Sa. 01.08.2020 Nachtfahrt nach Klintholm auf Møn Seg. 71 sm, Mot. 33 sm

Wir legen um 8 Uhr ab, um mittags wieder in Wolgast durch die Brücke zu kommen. Die ersten 10 sm können wir teils kreuzend segeln. Im engen Fahrwasser haben wir auch nach der Brücke frischen Wind und starken Strom gegen an. Nach mühsamer Motor-Fahrt können wir ab Peenemünde wieder segeln. Über das Landtief südlich von Thiessow kreuzen wir bis zum Abend bis in Höhe Nordperd bei Göhren. Nachts und noch am Morgen ist totale Flaute. Damit das Boot unter Autopilot steuerbar bleibt, läuft der Motor knapp über Leerlaufdrehzahl. Gegen 8 Uhr können wir mit Wind aus Ost endlich segeln. Auf direktem Kurs unter Groß und aus gebaumter Genua sind wir 16:30 Uhr im Hafen von Klintholm fest. Es gibt wieder eine Überraschung: neben uns liegt eine Dehler 34, Carsten und seine Partnerin mit Kind, auch aus unserem früheren Verein in Berlin. Nach offizieller Information soll man wegen Corona vor der Einreise nach Dänemark mindestens 6 Übernachtungen buchen. Die Realität ist wie früher: Im Hafen bezahlt man das Hafengeld per Kreditkarte am Automaten und erhält per Quittung die Pin für das Sanitärgebäude und den Code für das WLAN. In einigen anderen Häfen erhält man gegen Pfand eine Chipkarte als Türöffner, teils zur Aktivierung von Strom oder zum Duschen. Einen Hafenmeister in Person sehen wir nicht. Später auf Anholt und auf Tunø sind die Sanitärgebäude rund um die Uhr offen.
So. 02.08.2020 Klintholm - Dragør Seg. 27 sm, Mot. 17 sm

Bei auffrischendem Wind aus West geht es in schneller Fahrt um Moens Klint nordwärts. Mittags wechsele ich von Genua auf Fock 1. Wir sind bereits östlich an Rødvig vorbei, als fast von einer Minute zur anderen der Wind weg ist. So müssen wir unerwartet noch 17 sm motoren. Um 20 Uhr legen wir nach 9,5 Stunden in einer grün markierten Box an der Nordmole von Dragør südlich von Kopenhagen an. Der Weg zum Bezahl-Automaten und zu den Sanitär-Räumen führt um den ganzen Hafen. Am Sonntag-Abend herrscht hier noch reges Treiben. Heidi findet einen Briefkasten für die Ansichtskarten an unsere Familie und Freunde.
Mo. 03.08. Dragør - Nivå Seg. 34 sm, Mot. 1 sm

Wir legen früh 8 Uhr ab. Vorher musste ich zwei mal den langen Weg um den Hafen machen, weil man für die Rückerstattung der Hafenkarte auch seine eigene Kreditkarte braucht. Bei Wind aus NW geht es hoch am Wind im Sund an Kopenhagen vorbei nordwärts. Am Nachmittag frischt es auf. Ich fühle mich erschöpft. Das Fahrwasser neben dem Verkehrstrennungsgebiet bei Helsingborg ist schmal, und wir müssten kreuzen. So biegen wir vorher ab in den Hafen von Nivå. Vor vielen Jahren waren wir schon einmal für eine Nacht dort. Der Hafen ist ruhig. Es liegen hier hauptsächlich einheimische Boote. Wir finden eine grün markierte freie Box am Beton-Schwimmsteg. Abends ist eine interne Regatta. Professionell segeln die Boote ohne Motor durch den Hafen von und zu ihren Plätzen.
Di. 04.08.2020 Nivå - Gilleleje Seg. 28 sm, Mot. 1 sm

Es ist immer noch Wind aus NW. Ich schlage die Selbstwendefock an. Schon nach knapp einer Stunde ziehe ich ein Reff ein. Bei Helsingborg müssen wir zwei Fähren nach bzw. von Helsingør passieren lassen. Dann heißt es nur noch kreuzen. Mit dicht geholten Schoten brauche ich nur zu steuern, keine Leine zu ziehen. Die permanente Konzentration auf den Windwinkel und die Ausschau nach anderen Booten, sowie die Entscheidung, an der richtigen Position zu wenden ist für mich nach und nach ermüdend. Gilleleje ist ein großer Fischerhafen. Die Plätze mit Boxen im östlichen Becken sind durch einen Segelclub belegt. An der Außenseite der Stege liegen die Gastboote im Päckchen. Nach Handbuch sind die Gastplätze hauptsächlich im südwestlichen Becken, das die Fischer geräumt haben. Wir finden Platz längsseits an einem dänischen Boot. Am Hafen gibt es viele Fisch-Restaurants, die von Urlaubern frequentiert werden. Keiner trägt eine Schutzmaske. Auch wir bestellen an einem Selbstbedienungsstand Salatplatten mit Fisch, Shrimps und viel frischem Gemüse. Die Tische und Bänke im Freien haben ausreichend Abstand gemäß den Corona-Regeln.
Mi. 05.08.2020 ein Hafentag in Gilleje

Der Wetterbericht: frischer Wind aus W bis SW, zeitweilig Regen. Heidi macht längere Einkäufe und ergänzt unseren Proviant. Ich beginne, den Reisebericht zu schreiben. Von einem Geldautomaten hole ich Bargeld. Wir bezahlen möglichst per Kreditkarte. Ich fühle noch den anstrengenden gestrigen Tag in den Knochen. Unsere dänischen Nachbarn kommen von Herslev im Süden des Roskildefjords. Sie legen mittags ab, wollen in Richtung Kopenhagen. Der Skipper ist dort Wissenschaftler für Epilepsie-Genetik, Heidis Fachgebiet.
Do. 06.08. und Fr. 07.08. Nachtfahrt Gilleleje - Østerby auf Laesø Seg. 86 sm, Mot. 2 sm, Ankern

Gegen 9 Uhr legen wir ab. Gleich nach der Hafenausfahrt setzen wir Segel. Bei Wind zunächst aus Südost, später um Süd von 10 bis 15 kn geht es mit Groß und aus gebaumter Genua Richtung NNW. Das Steuern übernimmt heute der Autopilot. Ab 10:30 Uhr begleitet uns für längere Zeit eine große Gruppe Schweinswale, die immer wieder neben uns zum Luft holen auftauchen und dann unter den Rumpf durch schwimmen. Nach 15 Uhr haben wir den Store Middelgrund östlich querab, um 20 Uhr das Østerrev von Anholt an Backbord. Rechts und links drehen mehrere Fischkutter ihre Runden. Alle haben sie AIS, wir ja auch. Es gibt keine Probleme bei der Begegnung. Zunächst macht Heidi Wache, nach 23 Uhr übernehme ich. Wir wollen nicht so früh ankommen. Ich berge die Genua und ziehe drei Reffs ins gefierte und mit Bullentalje gesicherte Groß. Wir segeln jetzt mit 3 bis 4 kn. Um 2 Uhr, der Mond ist durch Wolken verdeckt, sehe ich Backbord voraus ein hohes rotes Licht. Es kommt an der linken Seite mit nahezu konstanter Peilung zunehmend näher. Ich vermute einen Segler, der unter mitlaufendem Motor gegen den Wind fährt. Es sieht so aus, als ob wir uns nahe rot an rot, d. h. Backbord an Backbord begegnen werden. Ich schalte zusätzlich zum Dreifarben-Licht auf dem Mast das Zweifarben-Licht am Bug ein. Dann fährt das andere Boot plötzlich vor unserem Bug auf die andere Seite, ein Segler hoch am Wind mit Backbordschoten. Ich sehe immer noch rotes Licht auf dem Mast, obwohl das Boot schon an Steuerbord neben mir ist. Erst als es vorbei ist, wird es grün, später weit weg weiß. Ich meine, das Dreifarben-Licht des Anderen muss etwas verdreht montiert sein. Sonst hätte ich vorher schon grün sehen müssen. Wir hatten Steuerbordschoten, waren rechtlich ausweichpflichtig. Mit einer Kursänderung nach Backbord wären wir sicher "grün an grün" aneinander vorbeigefahren. Das andere Boot hatte kein AIS, war also auf unserem PC-Bildschirm nicht zu sehen. Wie und seit wann der andere uns bemerkt hat, bleibt offen. Erneute Lehre: auch wenn weit und breit nichts zu sehen ist, regelmäßig in kurzen Abständen Ausschau halten! Nachträglich noch die Frage, was hätte ich zusätzlich tun sollen: 1. Unsere Segel anleuchten oder Decklicht einschalten; 2. Mit einem Scheinwerfer oder unserer stark gebündelten LED-Lampe das andere Schiff anleuchten; 3. Signalhorn betätigen; 4. Ein Anruf per Funk, doch dazu hätte ich unter Deck gehen müssen.

Um 3:40 Uhr löst Heidi mich noch einmal ab. Ich habe den Autopiloten auf Wegpunktsteuerung gestellt, das Boot fährt also genau auf der programmierten Route. Ich lege mich schlafen mit dem Hinweis mich "am nächsten Wegpunkt" zu wecken. Das ist die Abbiegung zum Hafen nach Østerby. Als ich von selbst wach werde, sind wir kurz vor dem Wegpunkt. Ich muss noch Schuhe anziehen, zur Toilette, Schwimmweste anlegen und für den neuen Kurs die Fock wieder setzen, alles in Hektik. Heidi entschuldigt sich: Du hast gesagt "am Wegpunkt", und dort waren wir noch nicht. Es klappt dann doch alles. Wir bergen direkt vor der Einfahrt die Segel, nachdem ich noch einigen Fischerfahnen ausgewichen bin. Vor uns kehren mehrere Fischkutter vom Fang zurück. Es sind schon einige Segler aus dem Hafen gekommen. Drinnen, um 9 Uhr, liegen viele Boote mehrfach im Päckchen. Wir gehen wohl als sechstes Boot an einen Schweden. Nach uns kommt ein Boot hinter dem anderen. Es ist abzusehen, dass über das gesamte Wochenende keiner von innen mehr heraus kommt. Wir brechen die Frühstücksvorbereitung ab, fahren wieder raus und gehen neben der Hafeneinfahrt auf 5 m Wassertiefe vor Anker. Der Wind ist ablandig. Die Sonne setzt sich durch. Wir frühstücken. Heidi legt sich schlafen. Ich schreibe am Reisebericht. Später mache ich noch einige Arbeiten am Boot. Ich schwimme eine Runde ums Boot. Das Wasser ist unangenehm kühl und ungewohnt nass.

Abends sehen wir einen schönen Sonnenuntergang. Hier in Østerby waren wir 1992 mit einem Charterboot Dehler 34 auf der Rückfahrt von Oslo zurück zum Limfjord.Sa. 08.08.2020 Østerby auf Laesø, ein Tag vor Anker Heidi will, wenn wir schon hier sind, unbedingt an Land. Vor dem Mittag mache ich das Schlauchboot klar. Als ich einsteige, läuft neben meinen Füßen Wasser zusammen. Das über 20 Jahre alte wenig genutzte Schlauchboot hat ein Leck. Wir holen es wieder an Bord. Vorne bei einem Brett zur Versteifung des Bodens sieht es verdächtig aus. Ich verspachtele die Ecken von innen und außen mit Pantera. Beim zweiten Startversuch kommt wieder Wasser. Wir sehen, es kommt seitlich in der Mitte. Diesmal finde ich die Eintrittsstelle. Noch einmal Pantera und darüber Powertape bringen vorerst Erfolg. Auch auf der Innenseite hat sich die Klebenaht gelöst. Das Aussteigen am steinigen Strand ist kein Vergnügen. Ich rudere zum Boot zurück. An der Badeleiter schwimmt das Boot zur Seite, und ich rutsche halb ins Wasser. Ich kann die Leiter herunter klappen und ins Boot steigen. Wir haben über 30°C an Bord und keinen Wind. Als Heidi vom Einkauf zurückkehrt, wählen wir zum Einsteigen eine günstigere Stelle am Strand.
So. 09.08. und Mo. 10.08.2020 Nachtfahrt Laesø - Anholt Seg. 40 sm, Mot. 6 sm

Am Vormittag versuche ich am Schlauchboot auch innen den gelösten Klebefalz nach zu kleben, benutze dazu sogar den für Reparaturen mitgelieferten Kleber, vorher Reinigung mit Aceton. Leider hält der Kleber nicht, und auch das Pantera haftet nicht richtig. Es wird wieder über 30°C warm. Ich schwimme mehrere Male eine kleine Runde. Am Vormittag fahren Boote am laufenden Band aus dem Hafen, die meisten Richtung Schweden. Obwohl es Sonntag ist, kommen nachmittags vielleicht genau so viele neue Boote. Es setzt leichter Wind aus Nordost ein. Wir holen den Anker auf, nehmen zunächst wieder den Weg östlich der Insel nach Süden, Ziel Anholt. Anfangs segeln wir nur ca. 2 kn, später in der Nacht auch mal über 4 kn. Im Wetterbericht hieß es einfach "schwach windig". Bei den mehrfachen Richtungsänderungen des achterlichen Windes habe ich einige Arbeit mit den Segeln. Als wir schon direkten Kurs auf den Hafen von Anholt nehmen können, zieht von hinten aus Richtung der Festlandküste ein Gewitter auf. Die letzten 5 sm motoren wir. Bei der Einfahrt in den Hafen um 10:30 Uhr beginnt es zu regnen. Wir legen später an einen besseren Platz um. Nachmittags kommt ein zweites Gewitter. Als ich danach duschen will, ist der Strom weg. Also baden wir am nahen Strand.
Di. 11.08. bis So. 16.08.2020, sechs Hafentage auf Anholt

Es bleibt weiter sommerliches Wetter, Temperaturen über 30°C, meist nur schwacher Wind. Von Tag zu Tag verschieben wir eine Weiterfahrt. Wir gehen täglich zum Baden am nahen Strand. Heidi macht Einkäufe. Direkt vom Kutter gibt es "Jomfruhummer" und große Krabben- bzw. Krebsscheren sowie Flundern. Die Hummer werden nur 2 Minuten in Salzwasser aufgekocht. Dann kann man sie wie große Shrimps bzw. Garnelen pulen und das köstliche weiße Fleisch genießen. Die Krabbenscheren soll man 15 Minuten kochen, dann aufknacken. In dem großen Krabbenkörper ist kaum etwas Essbares. Die Flundern muss ich erst ausnehmen, Kopf, Schwanz und Flossen abschneiden. Mit unseren Spezial-Messern aus Norwegen und den dortigen Erfahrungen beim Angeln ist das kein Problem. Für die Zubereitung nutzen wir das Kombi-Programm unseres Mikrowellen-Grills. In 10 Minuten sind die Flundern leicht knusprig und weich gegart. Am Dienstag mache ich am späten Nachmittag eine Wanderung. Die lahmen Beine kommen langsam in Schwung. Schließlich gelange ich in das Insel-Dorf und nehme eine andere Straße zurück. Am nächsten Tag will auch Heidi ins Dorf. Zunächst baden wir am Nordstrand. Diesmal gehen wir den Weg in umgekehrter Richtung. Mit Fahrrädern wäre es schneller und bequemer gewesen. So können wir jedoch am Wegrand die Natur in Ruhe genießen. Wir finden einige reife Brombeeren. Diesmal ist die Kirchentür offen und jemand drinnen. Wir können einen Blick ins Innere werfen. Abends treffen wir auf dem Steg das Seglerpaar Andrea und Dieter aus Cuxhaven. Wir kennen uns von Preisverleihungen der Kreuzerabteilung. Sie haben seit kurzem eine Moody 38, genau den Typ mit Mittelcockpit, mit dem wir 1993 von Kiel nach Stockholm gesegelt sind. Ihre OE (Ole Enderlein) konnten sie verkaufen. Sie überlassen uns an einem anderen Tag abends Leihfahrräder, mit denen wir die Rundtour noch einmal machen einschließlich eines Abstechers an den wilden Nordstrand. Nach einer Wanderung an einem weiteren Tag über den Nordbjerg sind wir nahe des Campingplatzes auch am Nordstrand baden gewesen. An mehreren Abenden erleben wir mit Andrea und Dieter und den neuen Bekannten Jutta und Gerhard aus Papenburg von der Terrasse des Hafengebäudes beeindruckende Sonnenuntergänge.
Mo. 17.08.2020 Anholt - Ebeltoft Seg. 49 sm, Mot. 3 sm, Nachtansteuerung

Wir starten wie etliche andere Segler früh 7:20 Uhr. Wir haben guten Segelwind aus SE mit 10 bis 15 kn. In den aktuellen GRIB-Daten sehe ich für den folgenden Tag ein Regengebiet. Wir entschließen uns, Ebeltoft anzulaufen. Mittags ist der Wind für mehrere Stunden schwächer. Wir segeln teils nur noch 2 kn, haben Strom von vorn. Wir hätten noch früher starten sollen. Alle anderen Boote sind längs über alle Berge, wohl auch mit Motor. Später in Richtung Durchfahrt bei der Insel Hjelm kommen wir wieder besser voran. Dann geht die Sonne unter. In der Bucht nach Ebeltoft ist es stockdunkel, kein Mondschein. Die grünen Tonnen an der Flachwassergrenze sehen wir erst in unmittelbarer Nähe. Die letzten 2 sm zum Hafen motoren wir gegenden Wind. Auch an der Hafeneinfahrt wird es noch einmal spannend. Ich steuere nach Anzeige auf dem PC-Bildschirm exakt auf der programmierten Route bis wenige Meter an das unbeleuchtete Tonnenpaar vor der Hafeneinfahrt. Wir hätten es anleuchten sollen, aber Heidi hat gute Augen. Im Hafenbecken finden wir kurz vor 23 Uhr einen Platz längsseits. Am Hafenbüro stehen Öffnungszeiten 8-10 Uhr.
Di. 18.08.2020 Ebeltoft - Tunø 13 sm Seg. 13 sm, Mot. 10 sm

Als ich morgens aus der Kajüte schaue, sehe ich Gerhard mit der SY "Vihuela" eine Runde drehen. Es sind die neuen Freunde von Anholt. Gerhard will tanken und weiter fahren. Ich checke kurz auf dem Smartphone bei "YR.no" das Wetter für Ebeltoft: kein Regen. Das verleitet uns, auch abzulegen. Dieter hatte uns die Insel Tunø empfohlen. Es sind nur 19 sm. Um 7:30 Uhr fahren wir aus dem Hafen. Auch aus der Marina kommt ein anderer Segler. Wir haben Wind aus Süd, müssen kreuzen. Gegen Mittag ziehen schwarze Wolken vor uns und vor allem über dem Festland auf. Als der Wind auffrischt und es leicht zu regnen beginnt, bergen wir die Segel, fahren unter Motor. Wir haben mal wieder Glück, das Gewitter zieht an uns vorbei. Wir erhalten eine Whats App von Cornelia und Jürgen, Freunde aus Thüringen. Sie waren 2009 als Passagiere der Hurtigrute in Kirkenes. Wir waren mit der "Libra" dort. Sie sind jetzt mit dem Wohnmobil auf der Rückfahrt von Norwegen in Århus, ca. 14 sm achteraus,. Diese zweitgrößte Stadt Dänemarks hatten wir zunächst auch in unserem Plan. Aber es gab dort zuletzt vermehrt Corona-Fälle, und mir ist nicht nach lebhafter Großstadt zu Mute. Um 14:30 Uhr legen wir im ziemlich vollen Hafen von Tunø an. Ich entdecke ein bekanntes Boot, die SY "Philomena" von Rosi und Eggert aus Hamburg. Unsere erste Begegnung war 2012 in Honnigsvåg beim Nordkap. Abends sitzen wir bei ihnen zusammen. Vorher mache ich einen Rundgang zum Dorf und über den fast leeren Campingplatz zum Nordstrand. Hier sind schon mehr Brombeeren reif als auf Anholt.
Mi. 19. bis So. 22.08. fünf Hafentage auf Tunø

Zunächst beabsichtigen wir, uns mit Cornelia und Jürgen in einem der nächsten Häfen zu treffen. Dann fällt uns ein, sie könnten auch mit der Fähre nach Tunø kommen. Zunächst wollen sie sich Århus ansehen. Heidi und ich machen Mittwoch bei herrlichem Wetter eine Wanderung rund um die ganze Insel. Unterwegs baden wir und essen reichlich reife Brombeeren. Auf einem Acker liegen reichlich beim Roden übrig gebliebene Kartoffel. Heidi hat einen Beutel dabei. Der Donnerstag ist ein Regentag. Das Wetter wird unbeständiger und noch kein passender Wind in Sicht. Am Freitag kommt unser Besuch. An Bord bei uns gibt es Kaffee. Der Regen hat aufgehört. Wir gehen durch das Dorf, auch zur Kirche mit dem Leuchtfeuer auf dem Turm. In der Gaststätte essen wir Mittag. Die letzte Fähre war ausgebucht, so dass unser Besuch die davor nehmen muss. Vor dem Wochenende ist kein Segelwetter für uns in Sicht, vorerst noch immer frischer Wind aus Südwest und auch wieder Regen. Am Samstag arbeite ich am PC (Bericht, Update der elektronischen Seekarten) und mache eine verkürzte Inselwanderung. Heidi kauft ein, auch wieder Shrimps aus der Røgeri. Am Sonntag Vormittag erstelle ich am PC eine Excel-Tabelle der bisherigen Reise. Obwohl immer noch frischer Wind und anfangs Schauer sind, fahren etliche Boote weiter bzw. nach Hause.
Mo. 23. und Di. 24.08. Tunø - Burgtiefe auf Fehmarn Seg. 80 sm, Mot. 29 sm

Wir wollen ein kurzes Wetterfenster nutzen, legen früh 6:20 Uhr ab. Bei Wind um West kommen wir zunächst gut mit aus gebaumter Genua voran. Südlich von Samsø lassen wir einen kleinen Windpark an Steuerbord. Am Nachmittag ist für mehrere Stunden Flaute. Der Motor läuft mit nur niedriger Drehzahl, dabei haben wir mitlaufenden Strom. Um 16:40 Uhr fahren wir rechts neben der Hauptdurchfahrt durch die Große-Belt-Brücke. Von Fynen her zieht eine schwarze Regenwolke hinter uns durch. Die Brücke achteraus ist nicht mehr zu sehen. Der Wind frischt bis 20 kn auf. Ich ziehe zwei Reffs ein und wechsle auf Fock1. Bald kann ich wieder ausreffen, und dann ist auch wieder eine kurze Zeit Flaute, in der wieder der Motor läuft. Auch wechselnde Windrichtungen beschäftigen mich mit Segelarbeit und Halsen. Um Mitternacht sind wir zwischen Spodsbjerg auf Langeland und Nakskov auf Lolland. Westlich über Langeland sehen wir Wetterleuchten. Wir bekommen vorüber gehend nur leichten Regen ab. Die Passage der Dampferlinien mit Schiffsverkehr vom Fehmarn Belt in den Großen Belt und nach Kiel verlaufen problemlos. Meistens gehen die Frachtschiffe vor uns durch, ein anderes Mal hinter uns. Dank der AIS-Anzeige auf dem PC-Bildschirm ist der Passierabstand lange vorher zu sehen. Bei Sonnenaufgang sind wir querab von Fehmarn. Durch die Brücke des Fehmarn Sund fahren wir um 6:20 Uhr. Um 8:15 Uhr legen wir im Yachthafen von Burgtiefe an. Wegen des zu erwartenden Sturmtiefs bezahlen wir gleich für zwei Nächte. Ich war die ganze Nacht wach und lege mich schlafen. Hella und Diedhart aus Hamburg kommen. Sie sind mit ihrer SY "Hedonä" schon am Vortag angekommen und beenden hier ihren Törn. Siegrun von der SY "Ariane" hat uns so früh nicht erwartet und war einkaufen. Bei ihr sind wir später, nachdem wir auf der "Hedonä" zum Kaffee trinken waren. Abends legt am Außensteg ein Motorboot "Yuma" aus unserem Verein SSV Rostock an. Mit Partnerin und Tochter ist es der Enkelsohn Christian unserer Freundin Agnes.Mi. 25. bis Fr. 28.08. drei Hafentage in Burgtiefe. Der Mittwoch ist verregnet und vor allem in der folgenden Nacht stürmt es. Obligatorisch frühstücken wir jeden Tag lange auf der SY "Ariane" bei Siegrun. Sie lädt uns am späten Nachmittag in die Hafen-Gaststätte zum Essen ein. Abends sind sie und Hella mit Diedhart bei uns an Bord. Wir zeigen die Fotos unserer Reise vom letzten Jahr mit der "Libra" zum Saimaa-See. Dabei erfahren wir, die "Hedonä" war 2004 nach St. Petersburg, Vyborg und durch den Saimaa-Kanal bis Savonlinna. Damals waren die Abfertigungen komplizierter, und es musste ein russischer Lotsen mit fahren. Am Donnerstag mache ich auf der "Ariane" defekte Schalter in der Schalttafel wieder funktionsfähig. Demnächst soll ein Käufer für das Boot kommen.

In Burg essen wir mit Siegrun zum Mittag. Zurück arbeite ich am PC. Am Freitag kocht Siegrun an Bord. Wegen Wind aus Südost bleiben wir noch. Morgen haben wir passenden achterlichen Wind nach Rostock.
Sa. 29.08. Burgtiefe - SSV Rostock Seg. 41 sm, Mot. 1 sm

Wir starten früh 6 Uhr. Bei westlichen Wind segeln wir zunächst mit Groß und aus gebaumter Genua. Wegen Winddrehung nach SW muss ich bald halsen, dann den Baum wieder wegnehmen. Wir sind schnell um 5 kn. Schon 13 Uhr sind wir an der Mole von Warnemünde. Unmittelbar vor uns laufen 2 Fähren ein und der Zweimastsegler "Morgenstern". Unser Sohn Martin und Tochter Anne mit ihrem Freund Sven winken uns zu. Sie sind mit Fahrrädern gekommen. Gegen 15 Uhr sind wir im Heimathafen.
Technische Probleme:
  1. Wie in den letzten Jahren arbeitet das Log durchs Wasser nur mal vorübergehend, dann gar nicht mehr. Im Winter konnte ich die Fehlerursache nicht feststellen. Vermutlich ist der Geber defekt. Das Kombi-Anzeigegerät ist auch für das Echolot zuständig. Ein kompletter Neukauf ist mir zu teuer.
  2. Der neue Sterling Hochleistungsregler für die Lichtmaschine schaltet ebenso wie der bisherige nicht auf Erhaltungsladung. Dazu habe ich separat ein ausführliches Dokument verfasst. Ursache ist vermutlich eine im Vorjahr vorgenommene Schaltungs-Änderung mit Trenndioden nur zur Starterbatterie. Realisiert habe ich eine manuelle Umschaltung, die auch mit dem alten Regler möglich gewesen wäre. Es verbleiben als Verbesserung durch die Neuanschaffung: Temperatursensoren für Batterie und Lichtmaschine, sowie die Funktion der Ladekontrolllampe. Den alten Regler habe ich inzwischen als Standby parallel geschaltet.
  3. Bei dem 22 Jahre alten Schlauchboot war die Verklebung des Bodens nicht mehr dicht. Die Reparatur mit Pantera scheint nicht dauerhaft zu sein. Nach Recherche im Internet braucht man einen Zwei-Komponenten PVC-Kleber, und Spezial-Reiniger. Die Reparatur damit scheint inzwischen erfolgreich zu sein.
Zusammenfassung:

Zunächst segeln wir wegen Corona nur im Heimatrevier vor Warnemünde ca. 500 sm. Unsere Segelreise führt zunächst in die Boddengewässer bis Zinnowitz auf Usedom. Das Wetter ist dort wechselhaft. Dann geht es nach Dänemark durch den Sund vorbei an Kopenhagen ins Kattegat bis Laesø. Ein besonderes Erlebnis ist eine große Gruppe Schweinswale, die uns längere Zeit begleiten. Nach zwei Nächten vor Anker am Umkehrpunkt bleiben wir bei weiterhin Hochsommer-Wetter eine Woche auf Anholt. Es folgen fünf Tage auf Tunø bei meist Starkwind. Nach einem kurzen Wetterfenster mit unserer fünften Nachtfahrt ist es drei Tage in Burgtiefe ähnlich. Unterwegs hatten wir Begegnungen mit ca. 20 Freunden und Bekannten.
Statistische Auswertung:
  • 702 sm insgesamt, davon 551 sm unter Segeln (71%)
  • 151 sm unter Motor in 51 Stunden
  • 38 Tage unterwegs mit 5 Nachtfahrten, 1 Ansteuerung bei Dunkelheit
  • 18 Fahrtage, davon 8 Tage mit zeitweise über 4 Bft
  • 20 Hafentage, davon 8 Tage mit Starkwind
  • 13 Häfen und Ankerplätzen, davon 4 neu für uns
  • 10,8 Stunden pro Fahrtag im Mittel mit 3,6 kn, d. h. durchschnittlich 39 sm pro Tag
  • 68 Wenden und Halsen aus den aufgezeichneten Tracks
  • 666 sm Kartenkurs aus den Routen, das sind 95% der nach GPS registrierten Streck